Die Sicherheit steht dabei an erster Stelle, deshalb werden die Staumauern und -dämme 24/7 beobachtet und kontrolliert. Diese große Verantwortung übernehmen 18 Staudammwärter, die in vier Teams arbeiten. Oswald Mairhofer, der schon seit über 30 Jahren in diesem Bereich tätig ist, ist der Verantwortliche aller Teams.
Er kümmert sich um die Einteilung der Turnusdienste auf den Staudämmen sowie um alle Anliegen seiner Mitarbeiter. Mit seinem Team ist er zudem für die Kontrolle und Wartungsarbeiten der restlichen Anlagen im Ultental zuständig: Wasserfassungen, Beileitungen, Druckstollen und die Wasserkraftwerke. Die Staudämme, die es zu überwachen gilt, gehören zu diesen fünf Seen: Pankrazer Stausee auf 800 m ü.d.M., Zoggler Stausee auf 1.100 m ü.d.M., Weißbrunner Stausee auf 1.900 m ü.d.M., Arzker Stausee auf 2.200 m üd.M. und Grünsee auf 2.600 m ü.d.M. Der Fischersee auf 2.050 m Meereshöhe wird im Normalfall, auf Grund seines Fassungsvolumens, alle zwei Wochen einer Sichtkontrolle unterworfen. Die durchschnittliche Jahresproduktion der Anlagen beläuft sich auf rund 390 Millionen Kilowattstunden: Das bedeutet, dass im Ultental etwa 8 Prozent der gesamten Wasserkrafterzeugung Südtirols produziert wird – die Energie, mit der rund 85.000 Haushalte versorgt werden können.
Für die höhergelegenen Stauseen gibt es fixe Fünferteams, d.h. alle fünf Tage kommt ein Staudammwärter dieses Teams an die Reihe für die Wache, bei den anderen sind es fixe Viererteams. Ausschlaggebend dafür sind die klimatischen Verhältnisse, die weiter unten im Tal einfacher sind. „Oben bist du bei Fuchs und Bär“, wie Mairhofer das so schön beschreibt. In anderen Worten, auf 2.600 m Meereshöhe kann es schon mal richtig einsam werden. Und bei Schlechtwetter, vor allem im Winter, äußerst ungemütlich.
Die Turnusse haben es in sich. Eine Schicht umfasst 24 Stunden: 8 Stunden Wache und Kontrolle und gleich darauffolgend 16 Stunden Bereitschaftsdienst. Das heißt, dass ab 17 Uhr die Fernleitstelle in Kardaun die Kontrolle übernimmt. Und wenn dort eine Störungsmeldung eingeht, wird sie sofort an den zuständigen Wärter weitergeleitet, der das Problem kontrolliert und notfalls beseitigt. Wenn dann noch die Wochen- bzw. Monatskontrollen anfallen, welche von Damm zu Damm verschieden organisiert sind, dann kann der Turnus auch bis zu 32 Stunden lang sein.
An Wochentagen startet der Arbeitstag um 8 Uhr, an den Wochenenden um 6.30 Uhr – damit die Kollegen, die abgelöst werden, ihren freien Tag mit ihren Familien besser gestalten können. Da treffen sich alle Teams in St. Walburg zur morgendlichen Besprechung. Danach geht es zum jeweiligen Arbeitsort. Einige Staudämme sind mit dem Auto erreichbar, andere, die höher gelegenen, nur mit einer Betriebseilbahn. Bevor diese benutzt werden kann, steht die Kontrolle derselben an: Probefahrt mit 50 % Geschwindigkeit, Check der Grundfunktionen und der Sicherheitskreise. Alles wird täglich kontrolliert, damit es zu keinen Zwischenfällen kommt. Oben angekommen ist Schichtwechsel und erst dann fährt der Kollege nach unten, es muss nämlich immer ein Wärter in der Schaltwarte sein. Sicher unten angekommen sagt dieser dem Kollegen auf dem Berg Bescheid. Teamarbeit und Solidarität wird großgeschrieben, schließlich verbringt man ja fast mehr Zeit mit seinen Teamkollegen als zu Hause.
Ein Staudammwärter braucht technisches Verständnis, Ausdauer für die langen Schichten, und, für die Turnusse auf den höher gelegenen Staudämmen, im Winter Fitness zum stundenlagen Schneeschaufeln und vor allem keine Angst vor eventueller tagelanger Einsamkeit– manchmal ist er sogar komplett von der Außenwelt abgeschnitten, wenn auch das Telefon wegen des Wettereinflusses nicht funktioniert und nicht mal der Hubschrauber eingesetzt werden kann. Zudem braucht es Kochkünste. Ja, richtig gelesen, das Leben in den Staudammwärterhäusern beinhaltet auch die Hausarbeit inklusive putzen und kochen. Die Wärterhäuser bestehen meistens aus Schaltwarte, Technikraum, Küche, Stube, Badezimmer und Schlafzimmern, eines pro Wärter. Für unerwartete längere Aufenthalte gibt es außerdem immer eine Notfallration in den Unterkünften.
„Wer zu Beginn vielleicht gerade mal ein Spiegelei kochen konnte, mausert sich in den Jahren zum Küchenchef und zaubert auch mal Gulasch mit Knödeln oder einen Hasenbraten auf den Tisch“ erzählt Mairhofer.
Oft ist während der Schicht der einzige Gefährte der heulende Wind. Nun gut, manchmal spaziert ein Marder vorbei, oder ein Fuchs. Apropos, einem der nun pensionierten Kollegen war es mal gelungen, einen Fuchs zu zähmen, sodass er bei Essenszeiten immer vorbeigeschaut hat.
Mittlerweile gibt es in jedem Wärterhaus einen Glasfaseranschluss mit Internet, auch auf 2.600 m Meereshöhe, somit ist die Abgeschiedenheit leicht gedämpft. Im Sommer gibt es auch Touristen, die an den Dämmen vorbeiwandern; manche stellen neugierig Fragen zum Damm und zur Arbeit der Wärter, die diese gerne beantworten. Es kam auch schon vor, dass ein Tourist von Schlechtwetter überrascht worden ist. Dem wurden dann ein heißer Tee und eine Taschenlampe angeboten, damit er wieder heil ins Tal kommt. Manchmal kann man auch ein „Ratscherle“ mit dem Hirten genießen.
„Wenn jemand wirklich wissen will, wie hart die Arbeit auf den Staudämmen sein kann, dann sollte er bzw. sie im langen Winter vorbeischauen. An manchen Tagen kommen die Wärter nicht mal raus, sondern benutzen die Stollen unter den Dämmen, um die regelmäßigen Messungen durchzuführen. Ein Wärter muss damit umgehen können, auf sich allein gestellt zu sein. Und auch das Schlafen ist schwierig auf den Höhenmetern. Ein Stress für Körper und Geist, dem man nicht tagelang ausgesetzt sein möchte“, so Mairhofer. „Dafür ist nicht jeder geeignet, es gab einige, die den Job bereits nach wenigen Monaten wieder aufgegeben haben.“
Zurück zum täglichen Arbeitsablauf in der Höhe. Am Stauwerk angekommen, werden verschiedenste Messungen durchgeführt. Es wird zum Beispiel der Wasserverlust gemessen (kein Damm ist zu 100 % dicht), der Wasserstand geprüft, der Wasserdruck an den verschiedenen Punkten, die Bewegung des Dammes. Die Messungen werden sowohl im Freien als auch in den Stollen durchgeführt, die im Inneren der Anlagen verlaufen. Manchmal geht es auch mit einem sehr schmalen Aufzug 60 Meter in die Tiefe zum Dammfuß, um unter anderem die Funktionalität der Schleusen zu überprüfen. Ein besonderes Augenmerk gilt dem Notstromaggregat; es ist es, das speziell im Winter in der rauen Bergwelt bei Stromausfall ein Ausharren überhaupt ermöglicht. Gewisse Messungen werden täglich, andere wöchentlich oder monatlich durchgeführt. Einige davon nur zu zweit, weil man von der Außenwelt abgeschnitten ist und bei einem Unfall lange auf Hilfe warten müsste. „Man schaut auf die Anlagen und auf uns gegenseitig. Damit alle sicher sind“, so die Wärter.
Wegen der Temperaturunterschiede im Sommer und Winter oder des jeweiligen Wasserstands des Sees, sind Stauanlagen ständig in Bewegung, der Damm neigt sich entweder vor oder er geht zurück. „Solange sich der Damm innerhalb der vorgegebenen Werte bewegt, ist das vollkommen normal“, erklärt Oswald Mairhofer. „Meine Mitarbeiter kennen ihren jeweiligen Staudamm und die Umgebung in allen Details. Bei der kleinsten Anomalie, die ihnen auffällt, zum Beispiel auch ein kleiner Erdrutsch in der Nähe des Damms, schrillen bei ihnen die Alarmglocken und sie gehen der Sache akribisch nach, vergleichen Messungen, tauschen sich mit den Kollegen aus, handeln nach Bedarf. Dabei ist es wichtig, eine gewisse technische Erfahrung mitzubringen. In den vergangenen zehn Jahren gab es einen kompletten Austausch der Mannschaft, weil bis auf einen, alle älteren Kollegen in Pension gegangen sind. Jetzt ist ein junges Team an der Reihe. Alle Staudammwärter bringen eine technische Ausbildung mit; das ist gut so und auch unabdingbar für die Ausübung dieses facettenreichen Jobs. Auch sind sie alle mit Computersystemen vertraut, was die Arbeit erleichtert.“
Viele Messungen werden automatisiert durchgeführt, andere manuell. Technik allein ersetzt die Kontrolle durch das Auge des Profis jedoch nicht. Deshalb werden auch die automatisierten Messungen periodisch von den Staudammwärtern manuell überprüft und dann in ein Computersystem eingespeist. Die Wärter vergleichen dann täglich die Messungen, stellen sicher, dass alles übereinstimmt. Den Menschen und seine Erfahrung kann man eben nicht durch Maschinen ersetzen.
Alles ist perfekt in Schuss, wird gehegt und gepflegt: die Wärterhäuser wie die Dämme, alle Maschinen und das Werkzeug, die Seilbahnen und Tunnels. „Jede Maschine, jeder Kompressor, alles wird achtsam gewartet“, sagt Mairhofer. „Natürlich machen wir das gewissenhaft“, meinen die Jungs, „wir und unsere Familien wohnen ja alle darunter.“ So ist es, die 18 Staudammwärter kommen allesamt aus dem Tal. Und genau diese Verwurzelung mit dem Ort macht das Ultner Team aus. Sie sind Feuer und Flamme für ihren Beruf.
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