„Gas“ ist ein kurzes, einfaches Wort. Wer die Materie aber erkunden und verstehen will, muss sich auf eine Reise begeben, die über lokale und nationale Grenzen hinausführt. Claudia Lorenzetti, Teil der Abteilung Energiemanagement von Alperia Trading und Verantwortliche Gas Logistics & Settlement, verfolgt diesen Prozess seit zehn Jahren und befasst sich mit Logistik, Abrechnung, Rechnungsstellung, Berichterstattung und Prognosen. „Jeder Tag“, so versichert er, “ist anders als der vorherige, denn die Komplexität der beteiligten Akteure und die weitreichenden Auswirkungen der durchgeführten Aktivitäten sind enorm.
Tatsächlich muss man, wenn man im Rahmen der Erdgaslieferkette arbeitet, in Innovation und Digitalisierung investieren, geopolitische Szenarien mit ihren Auswirkungen auf die Energiemärkte im Blick – und die europäischen Dekarbonisierungsziele im Hinterkopf behalten. Um sich auf diesem Fachgebiet zurechtzufinden, sind analytische Fähigkeiten im wissenschaftlichen Bereich gefragt (Studienabschlüsse in Ingenieurswesen, Wirtschaft und Statistik kommen in der Abteilung am häufigsten vor, Anm. d. Red.), genauso wie eine Affinität zu technischen und rechtlichen Thematiken und zu Informatiktools, die Entscheidungsprozesse erleichtern. „Es ist nicht immer einfach, diese Profile auf dem Arbeitsmarkt zu finden“, erklärt Lorenzetti, „deshalb investieren wir viel in die Ausbildung junger Menschen, die zum ersten Mal die Welt von Energie und Gas betreten.“
Was versteht man unter der Gaslieferkette?
Bis das Erdgas beim Endkunden ankommt, hat es einen weiten Weg mit mehreren Etappen hinter sich: Förderung (Produktion) und Import, Transport und Speicherung, Großhandelsverkauf (Shipper), Verteilung, Verkauf an den Endkunden. Transportiert wird das Gas auf zweierlei Arten: durch die unterirdischen Stahlrohre von Erdgaspipelines; per Schiff in Form von Flüssiggas (LNG). In diesem Fall wird das Erdgas zunächst vom gasförmigen in den flüssigen Zustand überführt und auf Gastanker verladen. Im Käuferland angekommen, wird es in den gasförmigen Zustand zurückgeführt – wiederverdampft oder regasifiziert – und in das nationale Verteilernetz eingespeist.
Gas ist eine zunehmend globale Angelegenheit. „Italien ist kein Selbstversorger und muss daher Erdgas aus anderen Ländern beziehen“, betont Claudia Lorenzetti. „Vor dem Krieg in der Ukraine machte russisches Gas 40 % der italienischen Importe aus, 2023 lag der Anteil bei 4 %. Die anderen Länder, aus denen wir hauptsächlich ‚via Rohr‘ importieren, sind Algerien, Aserbaidschan, Libyen (weniger als 5 %) und Nordeuropa, vor allem Norwegen und die Niederlande.“ Flüssiggas, das auf dem Seeweg nach Italien gelangt, macht 26 % des insgesamt importieren Gases aus und wird an vier Terminals in Rovigo, Livorno, Panigaglia und dem kürzlich in Betrieb genommenen Regasifizierungsschiff in Piombino angeliefert. „Die Nachfrage nach Gas ist in den letzten Jahren gesunken“, zeigt die Expertin auf. „Zum einen, weil die Reduzierung fossiler Brennstoffe als europäisches Nachhaltigkeitsziel festgelegt wurde; zum anderen aufgrund immer milderer Winter; und nicht zuletzt auch wegen Maßnahmen, die die Energieeffizienz bestehender Gebäude verbessern.“
Von der Einfuhr zur Speicherung
Durch die internationalen Pipelines wird das Erdgas in das nationale Verteilernetz eingespeist, das die nationalen Einspeisepunkte mit dem regionalen Netz verbindet. Der Großteil des italienischen Gasnetzes – über 90 % – wird von Snam Rete Gas verwaltet. Eine Besonderheit von Erdgas ist, dass es gespeichert und in speziellen Lagern aufbewahrt werden kann. „Die Gasspeicherung ermöglicht es, Reserven für die Wintermonate und Notfälle anzulegen. Das Gas wird in ausgedienten Lagerstätten gespeichert, die zu diesem Zweck umgerüstet wurden“, erklärt Lorenzetti – und ergänzt, dass das Speichersystem einer bestimmten Saisonalität unterliegt: „Die Anfangsphase, ‚Einspeicherungsphase‘ genannt, dauert von April bis Oktober. In diesem Zeitraum wird das Erdgas in den Speicher eingeleitet – entsprechend dem Platz, der durch Auktionen versteigert wurde. Anschließend folgt die ‚Entnahmephase‘, die von November bis März dauert und in der das Gas abgegeben wird. Anfang März starten dann die Auktionen, bei denen die Betreiber Speicherplatz ersteigern, den sie im Laufe des Speicherjahres verwalten können.“ Und hier kommt Alperia Trading ins Spiel.
Die Rolle von Alperia Trading in der Lieferkette
Alperia Trading agiert als Großhändler oder „Shipper“ und kauft Gas, um den Bedarf des Kundenportfolios von Alperia Smart Services und Fintel Gas e Luce zu decken. Die beiden Vertriebsgesellschaften stehen am Ende der Lieferkette, im direkten Kontakt mit dem Endkunden. In diesem Prozess spielt auch der Verteiler eine Rolle, der das Gas physisch an den Endkunden liefert und die Anschlüsse vornimmt.
„Im Bereich Gas Portfolio Management von Alperia Trading kümmert sich eine Abteilung von Tradern um den Kauf und Verkauf von Gas zum günstigsten Preis und in der Menge, die benötigt wird, um den Bedarf der Kunden zu decken. Dabei wird darauf geachtet, die Differenz zwischen gekauftem und verkauftem Gas so klein wie möglich zu halten. Eine weitere Abteilung, zu der auch ich gehöre, befasst sich mit der Logistik für den Transport und die Speicherung von Gas“, erklärt Claudia Lorenzetti. „Zudem überwachen wir die Verbrauchsdaten, erstellen Berichte und rechnen sowohl die Zertifikate zur Reduktion und Vermeidung von CO₂-Emissionen als auch das Gas an die Vertriebsgesellschaften und andere Marktteilnehmer ab.“ Um all diese Informationen effizient zu verwalten, ist es unerlässlich, in Innovation und Digitalisierung zu investieren. „In den vergangenen vier Jahren haben wir eine spezielle Software für die Logistik entwickelt, die die verschiedenen Volumenströme aus unterschiedlichen Quellen verarbeitet und es somit ermöglicht, die Verkäufe wirtschaftlich zu bewerten und den Kollegen und Kolleginnen im Trading die bestmöglichen Daten für den Einkauf zu liefern. Kurzum, die Software hilft dabei, eine große Menge an Daten zu verwalten und effizientere Entscheidungen in einem komplexen System voller Variablen zu treffen.“
Die Kosten auf der Rechnung
Wie wirkt sich all das auf die Gasrechnung aus? „Es gibt fixe und variable Kosten, die zusammen den zu zahlenden Betrag bestimmen“, erklärt Lorenzetti. „Zu diesen Kosten zählen die Ausgaben für den Rohstoff Gas, aber auch für den Transport, die Verteilung und die Systemgebühren. Die Transportkosten werden behördlich reguliert, die Gaspreise hingegen werden durch geopolitische Bedingungen, die Temperaturen (oder Temperaturkurve), den Füllstand der Speicher und mögliche Zwischen- und Ausfälle an den Gaspipelines oder, umgekehrt, vom Bau neuer Infrastrukturen beeinflusst. Die Nutzung von LNG (Flüssiggas) verstärkt und globalisiert diese Variablen zusätzlich, da es direkt mit den Ländern verbunden ist, in denen es gekauft wird. „Reglementiert wird dieser Prozess nicht nur von ARERA, sondern auch vom Netzkodex der einzelnen Transporteure, dem Speicherkodex sowie den öffentlichen Gesellschaften Gestore Mercati Energetici (GME), die die Energiebörse regelt und Acquirente Unico (AU), die sämtliche Informationsflüsse bereitstellt“, so die Expertin.